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Geburtsbericht – meine natürliche Geburt ohne PDA

Wo fängt man bloß an über das wohl prägendste, schmerzhafteste und gleichzeitig schönste Ereignis seines Lebens zu schreiben? Die Geburt unserer Tochter liegt ganze sechs Wochen zurück und noch immer kann ich nicht begreifen, dass ich einen echten Menschen zu Welt gebracht habe.

Die Schwangerschaft an sich war bei mir relativ komplikationslos. Relativ, weil es eine Phase gab, in der ich vorzeitige Wehen bekam, die Muttermund wirksam waren. Zusätzlich zu verschiedenen Krankenhausaufenthalten musste ich viel ruhen und vor allem liegen, was mir – wie ihr wisst – unglaublich schwer fiel. Letztendlich hat es unsere Bauchbewohnerin dann bis einen Tag nach ‚Frühgeburt‘ geschafft und ist somit drei Wochen früher als geplant zur Welt gekommen. 

Ich hatte keine Ahnung, dass die Geburt sich anbahnen würde, doch einige Vorboten gab es im Nachhinein betrachtet dann schon. Ich verspürte schon Tage vor der Geburt einen unheimlichen Druck nach unten, sodass mir selbst das Laufen immer schwerer fiel. Erst zwei Tage vor der Geburt, hatte ich meine Sachen im Büro zusammengepackt um mich in den eigenverantwortlichen Mutterschutz entlassen. Dass er im Endeffekt nur zwei Tage andauern würde und nicht geplante drei Wochen – damit habe ich nicht gerechnet. 

Ein weiterer unbewusster Vorbote: Meine Henkersmahlzeit bei Papa, die ich komischerweise schon an einem Samstag und nicht wie üblich an einem Sonntag einforderte. So viel wie am Tag vor der Geburt habe ich Jahre nicht mehr gegessen. Und verrückterweise sind wir am Abend vor der Geburt dann auch noch den Weg zur Klinik abgefahren, um zu schauen welche Parkmöglichkeiten es gibt. So dass wir keine stressige Parkplatzsuche vor uns hätten, wenn es dann losginge. 

Sonntag, der 30.08.2020

Ein ganz gewöhnlicher Sonntag. So dachten wir. Nachdem ich das erste mal seit langem (zumindest für meine Verhältnisse) ausgeschlafen hatte, began ich meine Stories auf Instagram wie gewöhnlich. An diesem Tag schwebte mir aber ein besonderes Thema vor über das ich mit meiner Community sprechen wollte: Die Angst vor der Geburt. Ich erzählte, wie sich die anfängliche Angst vor der Geburt bei mir in große Vorfreude verwandelte und was mir dabei half. In einem meiner letzten Videos, die ich in meine Story lud, sagte ich wortwörtlich, dass ich der Geburt gegenüber „komplett positiv eingestellt“ sei, meinem Körper vertraue und mich auf die Geburt freue. Kurz darauf filmte ich Niclas mit der Aussage: „Wir werden sehen wie es kommt“, legte mein Handy beiseite und ging auf die Toilette. 

13:40 Ist das Urin oder Fruchtwasser?

Kaum habe ich mich hingesetzt merkte ich schon wie es für einen kurzen Moment aus mir raus schwall. „Moment mal“ dachte ich. „Ist mir etwa die Fruchtblase geplatzt?“ Mir wurde heiß und kalt zugleich. Sicher war ich mir nicht, dennoch wusste ich, dass es losgehen würde. Ich stand von der Toilette auf. Nichts lief. Gut, vielleicht war es doch nur Urin? Ich schaute in die Kloschüssel. Rosa Urin? Konnte nicht sein. Ich ging zum Waschbecken um mir die Hände zu waschen und eine weitere Menge Flüssigkeit trat aus mir aus. Ich rief nach Niclas und als er ins Bad kam stand ich bereits in einer kleinen Pfütze. 

Kurz darauf schrieb ich meiner Freundin Nadine mit der wir an diesem Sonntag verabredet waren, dass ich mir nicht sicher sei, ob wir kommen würden. Und da sie selbst Hebamme von Beruf ist, fragte ich sie, ob es sich bei mir tatsächlich um Fruchtwasser handelte. Da es leicht süßlich roch, war eigentlich klar, dass es sich um Fruchtwasser handelte, aber ich blieb gelassen. Ich schob mir ein Handtuch zwischen die Beine, ging runter in die Küche und bat Niclas drum mir polnische Pierroggen zu machen. Dafür musste jetzt noch Zeit sein. Vorallem: ich hatte keine Wehen. Es gab für mich also keinen Grund so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu fahren. Weil wenn ich eins nicht wollte, dann weggeschickt werden. 

14:44 Erst mal eine kleine Stärkung

Die Pierrogen waren köstlich! Ich hatte richtig Appetit und das Gefühl diese Stärkung noch zu brauchen. Nach dem Essen ging ich duschen. Dabei merkte ich, dass sich mittlerweile auch Blut und Schleim aus mir austraten. Es war nun vielleicht doch an der Zeit in die Klinik zu fahren. Aber erstmal wurde noch die Kliniktasche zu Ende gepackt. 

15:00 Abfahrt in die Klinik 

Mittlerweile trat das Fruchtwasser nicht mehr nur in kleinen, kurzen Schüben aus. Es wurde plötzlich immer mehr Flüssigkeit. Mit Handtüchern ausgestattet fuhren wir los. Ein Glück, dass wir am Abend vorher noch geschaut haben, wo sich der Eingang der Klinik befand und wo man gut parken konnte. Ich lief den Weg vom Auto zur Klinik watschelnd, aber schmerzfrei. Noch immer keine Wehe in Sicht. 

15:30 Ankunft in der Klinik 

Im Empfangsbereich angekommen, fragte man mich gleich in welcher Woche ich mich befand. Als Niclas für mich „37+1“ antwortete, hieß es seitens der Rettungssanitäter gleich: „sofort hinsetzen!“. Man setzte mich in einen Rollstuhl. Es schien als wäre ich sehr früh dran mit der Geburt, aber ich ließ mich nicht verunsichern und wurde auf Station gebracht. 

Dort angekommen, ging es in einen kleinen Raum, wo ich gleich an ein CTG angeschlossen wurde. Ich hatte unregelmäßige Wehen, so wie schon die Wochen zuvor. Das Fruchtwasser trat noch immer aus mir raus. Kurze Zeit nach dem CTG teilte uns die Hebamme mit, dass man uns wahrscheinlich nicht in der Klinik behalten könnte, weil die Kapazitäten knapp seien. Als man uns mit dieser Nachricht alleine im Raum ließ, war ich das erste mal seit dem Platzen der Fruchtblase angespannt. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und genauso tat es Niclas. Wir redeten uns ein, dass alles so kommen würde wie es kommen soll, aber insgeheim hatte ich natürlich gehofft dort zu entbinden, wo ich mich schon vor Monaten mit einem ausführlichen Geburtsplan anmelden ließ. Die Ungewissheit und die mit eingehende Angespanntheit stoppte meine unregelmäßige Wehentätigkeit vorerst komplett.

17:00 Der Hebammenwechsel

Glücklicherweise gab es ein Hebammenwechsel und uns wurde eine neue sehr liebe Hebamme zugeteilt, die mich gleich nachdem sie sich vorstellte untersuchen wollte. Ich teilte ihr die Sorge mit, die Klinik verlassen zu müssen, aber sie beruhigte mich gleich und sagte sie würde gleich mal nachsehen wie es weitergehen könnte. Bei der Untersuchung stellte sie fest, dass mein Muttermund schon ganze 2 cm geöffnet war. Und gleich danach sagte sie, dass sie mich so nicht wegschicken würde. Die Hebamme verließ den Raum um uns ein Familienzimmer zu organisieren, indem wir auf die Wehen warten sollten. Kaum war alle Anspannung von mir abgefallen, spürte ich meine erste wiederkehrende Wehe. Als die Hebamme längere Zeit später zu uns zurück kam um uns ins Familienzimmer zu bringen, hatte ich bereits alle drei Minuten Wehen. Und sie wurden mit jedem Male intensiver und schmerzhafter. Es ging also gleich in den Kreißsaal.

19:00 Der Kreißsaal 

Im Kreißsaal angekommen, wurde mir ein Bad eingelassen. Hätte die Hebamme mich nicht gefragt, ob ich baden wolle, hätte ich glatt vergessen, dass es diese Option gab, obgleich eine riesengroße Badewanne mitten im Raum stand. Ich konnte zwar in den Wehenpausen super im Wasser entspannen, aber mir kamen die Wehen in der Wanne deutlich intensiver vor. Als ich dann noch merkte, wie mein Kreislauf sich langsam von mir verabschied, wollte ich aus der Wanne steigen. Ich fühlte mich kraftlos, aber dennoch stark. Ich wollte weder angefasst noch angesprochen werden. Sobald Niclas sich von seinem Stuhl erhob wurde ich unruhig. Es sollte sitzen bleiben. Meine vorher angefertigte Musikplaylist wollte ich keineswegs hören. Ich war so konzentriert die Wehen durchzustehen, dass ich keine Geräuschkulisse ertragen hätte. Ich sagte mir in den Wehen, dass ich es schaffen würde sie durchzustehen und dachte immer an die darauffolgende Wehenpause. In den Wehenpausen wiederum dachte ich nicht gleich an die nächste schmerzhafte Wehe, sondern versuchte an drei mir vorher manifestierte Zukunftsgeschichten zu denken, die mir wieder neue Kraft gaben. Ich tönte laut. Es half mir. 

20:00 Das Kreißbett 

Von der Wanne aus ging es ins Kreißbett. Ich weiß noch wie ich darauf bestand mein Geburtskleid anzuziehen was ich wiederum kurze Zeit später wieder ausgezog. Ich wurde erneut untersucht. 5 cm offen. Auf dem Kreißbett versuchten wir die verschiedensten Positionen. Niclas saß hinter mir. Ich empfand die Wehen als schmerzhafter, sobald ich die Rückenlage verließ. Generell habe ich an diesen Zeitraum der Eröffnungsphase wenige Erinnerungen. Ich stand etwas neben mir, aber kämpfte mich durch die Wehen durch. Als die Hebamme zum Ende der Eröffnungsphase hin ein von der Decke hängendes Tuch befestigte fragte ich mich, ob es an der Zeit war sich zu erhängen. Klingt ziemlich hart, aber ich hinterfragte diesen irren Gedanken in diesem Moment nicht. Irgendwann änderte ich meine Position in den Vierfüßlerstand. Ich kniete im Kreißbett und lehnte meinen Oberkörper an der Rückenlehne ab, die nach oben gerichtet wurde. So konnte ich Niclas in die Augen schauen.

21:30 Die Presswehen

Ich hatte plötzlich das Gefühl als müsste ich ganz dringend ein großes Geschäft machen. Und als könnte ich es nicht mehr einhalten. Ich wollte pressen! Ich wurde ein weiteres Mal untersucht: 9 cm. Es könne nicht mehr lange dauern habe ich gedacht. Aber ich fühlte mich wirklich am Ende meiner Kräfte. Jetzt brauchte ich meinen Mann, meinen Anker. Die ganze Zeit über wollte ich es alleine schaffen, aber die Intensität der Presswehen überrollte mich so sehr. Ich konnte kaum denken. Für die Austreibungsphase brauchte ich seinen Zuspruch und halt mehr denn je. Und auch wenn ich ihm beinahe die Arme blutig gekratzt und gebrochen hätte, er sprach mir in den Wehenpausen immer wieder mit zu: „Gleich ist Mathilda bei uns“, „ Du bist so stark mein Schatz, ich bin so stolz auf dich“, „Du schaffst das“, „Wieder eine Welle weniger“ und und und ..

23:00 Ich kann nicht mehr!

Ich bin während der Presswehen immer wieder an meine Grenzen gekommen, habe unglaublich laut geschrien und gebrüllt. Mich wirklich selbst nicht wiedererkannt und war wirklich froh Niclas an meiner Seite zu haben. In den Wehenpausen war ich klar und tankte neue Energie, aber kurz vorm Ende dachte ich das erste mal an Schmerzmittel. Dass es dafür schon längst zu spät war, war mir egal. Ich wollte etwas gegen die Schmerzen! Mir wurde Lachgas angeboten, doch davon bekam ich Beklemmungen und Angst die Kontrolle zu verlieren. Also probierte ich es letztendlich mit fünf Tropfen Rescue Tropfen. Ob sie nun wirklich was gebracht haben, naja ich denke eher nicht, aber ich hab’s mir immerhin eingebildet. Ich legte mich wieder auf den Rücken, zog meine Beine an und presste. Ich spürte immer wieder, wie der Kopf meiner Tochter zurückrutschte und empfand es als großen Rückschritt. Schrie immer wieder, dass ich es nicht schaffen würde und keine Kraft mehr hätte. Es war so anstrengend. Ich habe es in den Presswehen nicht öfter geschafft als zwei mal zu pressen, weil ich unheimliche Krämpfe in meinen Beinen hatte und keine Luft mehr holen konnte. Kurz bevor sie kam, wo es kein zurück mehr gab, da wollte ich plötzlich aufgeben. Die Wehen ließen nach und ich brauchte einen Wehentropf. Ich war erschöpft und mir war alles egal. Aber es musste weitergehen und ich nahm alle Kraft zusammen, um es endlich hinter mich zu bringen. Die schmerzhafteste Erfahrung während der Geburt war definitiv als der Kopf geboren wurde. Ich spürte wie ich untenrum riss und es brannte höllisch. Und dann kam die letzte Wehe. Ich wusste es bedarf nochmal all meiner letzten Energie, Energie die ich eigentlich nicht mehr hatte.

23:25 Mathilda ist geboren!

Da war sie. Ich richtete mich auf. Schaute zwischen meine Beine. Ich hörte Niclas lauthals schluchzen und weinen. Ich weinte nicht. Ich war in Schockstarre. Ich empfand rein gar nichts. Ich wartete auf einen Schrei. Es kam nichts. Ich fragte die Hebamme, ob es meiner Tochter gut gehe. Danach folgte die Frage: „Lebt sie?“. Mathilda schrie. Ich schaute sie an aber bewegte mich nicht. Erst wenige Sekunden später nahm ich sie hoch zu mir auf die Brust und fing an bitterlich zu weinen. Und da war das wovon alle immer sprachen: diese bedingungslose Liebe einem Wesen gegenüber, das man im Grunde noch nicht kannte, aber irgendwie doch. Unsere Bauchbewohnerin war ein echter, wahrhaftiger Mensch. 

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Carmushka

Fashion, Travel, Lifestyle Blog von Carmen Kroll

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